Viel ist schon geschrieben worden über Antonioni und auch eben über diese Filme, ganz besonders über L´eclisse, der für viele zeitgenössische Kritiker den Höhepunkt dieser 3 Filme bildet. In der Tat wirkt es auch auf mich nachdem ich den Film zum zweiten Mal im letzten Monat sah, dass L´eclisse die Quintessenz dieser 3 Filme bildet. Antonioni geht hier noch einen Schritt weiter, aber nicht nur das. Er öffnet eine Tür, die selten im Kino davor und danach aufgestoßen wurde.
Der Beginn ist eine einzige Rahmung. Die gleichen Einstellungen nimmt Antonioni auch am Ende vor. Wir sehen zu Beginn die Vitti im Zimmer mit ihrem Verlobten, dargestellt von Paco Rabal. Die Kamera tastet sich mit einem Schwenk von links nach rechts über eine Lampe, einen Tisch auf ihren Verlobten zu. Die Geometrie der Räume in L´eclisse wird exakt durchmessen vom Architekten Antonioni, wie er auch gern genannt wird, der hier Dinge mit der gleichen Aufmerksamkeit filmt wie seine Darsteller. Dabei sind die Räume aber nie kalt und hermetisch wie beispielsweise in Kubricks Oeuvre. Der Satz "Die Poesie der Dinge" fällt auch häufig und in der Tat hat es wirklich etwas magisches an sich wenn die Kamera Gegenstände wie beiläufig in den Fokus fasst ebenso magisch wie wenn Monica Vitti geht, steht, sich umsieht, beobachtet. Allein die Blicke, die sie in den ersten Minuten von L´eclisse wirft, das Interieur, das Innen und das Außen mitsamt des pilzähnlichen Turmes den man vom Fenster aus sieht, verrät mehr als alle Worte dies vermögen.
L´eclisse zeigt darüberhinaus auch, dass die Kommunikations(un)fähigkeit auch immer eine Frage des Raumes ist, da die Räume auch immer mit den Individuen agieren, die sich in ihnen befinden. Sie werden zum sozialen Raum, der aber nicht symbolisch als Ausdruck ihrer Seelenlandschaft steht sondern tatsächlich gleichwertig agiert und somit in Szene gesetzt wird.
Interessant dabei ist vor allem, dass L´eclisse auch ein eskapistischer Film ist. Zwar nicht in Form von Realitätsflucht aber der sehnsuchtsvolle, suchende Blick nach etwas anderem, nach einem "Außen", nach Natur ist vor allem bei Vittoria (Monica Vitti) stark ausgeprägt.
In der Szene wo sie zusammen mit ihrer Freundin bei Marta, der Nachbarin aus Kenia, eingeladen sind, betrachtet sie sehnsüchtig die Bilder, die an der Wand hängen. Der Besuch der Wohnung führt auch zu einer irritierenden Verwandlung von Monica Vitti, die plötzlich als Afrikanerin verkleidet einen Speertanz beginnt.
Die Natur der Dinge. Afrika als wildes, unbändiges Element. Ein Ort der Sehnsucht.
Die Farm von Marta, nach der Vittoria fragt, liegt nicht mehr im Bild sondern auf der weißen Wand. Das Bild muß ausgefüllt, imaginiert, aufgeladen werden. Das Bild im Bild (Film) bei Antonioni bekommt Besuch von einem dritten Bild, welches sich erst, verknüpft mit Vittoria entwickelt.
Die Transformation : Vittoria füllt ihr drittes Bild als Abbild aus.
Die Treffen mit Alain Delon führen immer mehr hinaus ins Freie in die halbfertige EUR Stadt in der die Natur noch nicht vollständig eingedämmt ist, den Blick gen Himmel gerichtet und im Innenraum taucht die Kamera immer wieder in Gemälde ein, die erkundet werden oder betrachtet sie in der typischen Antonioni-Totale. Die Natur hat sich aber auch hier mit den Dingen verwoben und wirkt wie ein Fenster nach Außen.
Vittoria mit sich und der Natur.
Nach dem Börsencrash zusammen mit Pierro (Alain Delon) in einem Café.
Vittoria :"Er hat Blumen gezeichnet."
Pierro :"Wer ?"
Vittoria : "Dieser Mann, der sein ganzes Geld verloren hat."
Während Pierro, ständig unter Strom und im Zeitdruck, wieder zum nächsten Telefon hetzt, betrachtet Vittoria das Glas als ob es mit ihr spricht. So wie in einer anderen Szene Stahlmasten, die sich des Nachts im Wind bewegen mit ihr kommunizieren und Tiere zu Menschen werden.
Die Natur im Innenraum
& die Elemente Wind und Wasser im Außenraum
Innen und Außen.
Vittoria und Pierro zusammengehörig und doch getrennt voneinander im Innenraum an der Börse als sie sich kennenlernen.
Außen in der EUR Stadt, bei ihrem ersten Treffen an diesem Ort. Zusammen und doch getrennt.
Gefangen im Innenraum. Gefangen im Inneren Selbst.
Am Ende von L´eclisse : Stillstand. Bei sich sein. Leere, DAS NICHTS. Doch der Film ist nicht zu Ende denn das Leben geht weiter.
Pierro, allein. Vergewisserung. Erkenntnis, innehalten.
Vittoria : Allein, gefangen, doch sie steht vor dem Gitter im Außenraum durch das die Kamera sie filmt. Sie dreht sich um und geht auf die Straße, die Kamera schwenkt dabei leicht nach oben über das Gitter hinaus ins Außen. Vittoria, den Blick gen Himmel und Bäume gerichtet. Vergewisserung, Erkenntnis, innehalten. Dann geht sie aus dem Bild und ist verschwunden.
Michael Althen schrieb in seinem Nachruf auf Antonioni in der FAZ "Wenn es stimmt, dass die Größe eines Regisseurs in der Zärtlichkeit besteht, die er der Welt und ihren Dingen gegenüber aufbringt, dann gehört Antonionis Werk zum Größten, was das erste Jahrhundert des Kinos hervorgebracht hat." Am Ende zitiert er Antonioni wie dieser eine Sonnenfinsternis in Florenz erlebte :"Stille, verschieden von allen anderen Stillen. Fahles Licht, verschieden von allen anderen Lichtern. Und dann Dunkelheit. Totale Stille. Alles, was ich zu denken vermag, ist, dass während einer Sonnenfinsternis wahrscheinlich sogar unsere Gefühle zum Stillstand kommen."
In L´eclisse hat er genau diesen Stillstand wie kein anderer in Bilder gefasst. Worte kann man hier nicht finden. L´eclisse ist ein Film, der ebenso wie seine Protagonisten mich schier sprachlos macht. Unter den Großen und ganz Großen Antonioni Filmen gehört dieser jedenfalls zum Schönsten !
Ein Film, der so reich ist, dass ich hiermit auch nur auf einen Bruchteil dessen, was man in ihm alles finden und sehen kann, aufmerksam und darauf hinweisen kann.
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