Samstag, 18. April 2015

Endstation Wüste



Henry Hathaways Legend of the Lost ist schon ein richtiges Unikum. Die US-Italo Co-Produktion mit John Wayne, Sophia Loren und Paul Bonnard in den Hauptrollen ist erstmal kein Western aber ein Abenteuerfilm ist es eigentlich auch nicht. Viel mehr ist es eine existentialistische Reise welche zuerst Abenteuer und Reichtum verspricht am Ende aber nur zurück ins Innere führt. Ins Nichts, in die endlose Wüste in der man verzweifelt im Boden nach Wasser gräbt.
John Wayne, der zu Anfang fast schon zu typisch sein Rollenklischee erfüllt und den harten, saufenden, machistischen Haudegen gibt wandelt sich zum Ende hin in den von Paul Boggard dargestellten Charakter, der nämlich zu Beginn den sanften, gütigen, beschwichtigenden Gentleman gibt um dann später vom Reichtum korrumpiert und gebrochen zu werden.
Legend of the Lost beginnt ganz genretypisch. Die Schatzsuche ist zuerst eine Expedition ins Herz der Sahara, geleitet vom Franzosen mit Geld, gespielt von Paul Bonnard, der den Spuren seines Vaters folgt, welcher auf der Suche nach einer biblischen Stadt gewesen ist. Für dieses Vorhaben braucht er jemanden mit Erfahrung, jemanden wie Joe January (John Wayne). Dita (Sophia Loren) ist die Wüstenblume, die beide gerne pflücken wollen. January ist besonders von ihrer körperlichen Attraktivität angezogen, läßt sie aber auch immer wieder wissen, dass sie eine Prostituierte ist. Bonnard dagegen ist nicht von dieser rauhen Welt,. Bonnard ist die Verheißung auf etwas Gutes. Eine samariterhafte Aura umgibt ihn.
Angekommen in der Stadt wirkt die unheimliche Atmosphäre auf die Suchenden ein und wie ein Hauch der Leere, des Todes gibt sie die Suchenden der Wahrhaftigkeit preis. Der Samariter wird zum Teufel und der hartherzige Abenteurer wird zum Humanisten.
Es ist die Stadt, die einer Fata Morgana ähnlich, mitten im Nirgendwo, seine Besucher verändert und zum schicksalhaften Melodrama zurück in die Wüste führt.

Gefilmt in glänzendem Technicolor (Jack Cardiff !) ist Legend of the Lost eine mysteriöse Perle unter den Schönheiten Hollywoods. Eine echte Entdeckung.
Funxton, da hast Du mal nicht zuviel versprochen !




In Bertoluccis The Sheltering Sky brechen 3 Amerikaner Mitte der 40er Jahre nach Nordafrika auf um ihr altes Leben sowie sämtliche Werte westlicher Kultur hinter sich zu lassen.
Vor allem für zwei von ihnen (John Malkovich und Debra Winger) wird diese Reise zu einer Odyssee und zu einer Flucht vor sich selbst, die immer tiefer in den unbekannten Kontinent vordringt. Porter (John Malkovich) streift umher als wolle er sich mit dem Dreck der Städte vereinen und in der endlosen Weite der Landschaft verschwinden, ja förmlich auflösen.
Die Trennung von Tunner (Campbell Scott), ihrem touristischen Kompagnon, passiert fast beiläufig genauso wie die anbetungswürdigen Bilder von Storaro die verführerische Schönheit erfassen, welche nie in Postkartenexotik abdriftet und gleichwertig auch Elend und Krankheit beinhaltet.
Die Bestimmtheit mit der sich zuerst Malkovich, bis zu seiner Typhuserkrankung und danach Debra Winger von der Fremdheit des Kontinents auslöschen lassen, wird von beiden Darstellern mit großartigster Intensität gespielt. Besonders Debra Winger, die sich nach seinem Tod einer Beduinenkarawane anschließt spielt in diesem Schlußakt des Films fast nur noch durch ihren Blick mit ihren Augen.
Die Unfähigkeit zu lieben. Sich vom Nichts verschlingen zu lassen, sowie die obsessive Selbstaufgabe. Typische Bertolucci Themen in einem seiner letzten großen Filme.
The Sheltering Sky ist episch und wunderschön in der Form. Inhaltlich grausam und von einer kaum zu fassenden Traurigkeit bestimmt. Dazu ein wiederkehrendes Theme von Sakamoto, welches die Tiefe der Themen genau erfasst und sich wie ein schwerer Schleier auf die Bilder legt.








Mittwoch, 15. April 2015

Robert Aldrich : The Flight of the Phoenix (Der Flug des Phönix) USA 1965

The Flight of the Phoenix ist so ein Film, den ich in jungen Jahren liebte, später dann ein-zweimal sah und immer noch liebte. 
Nun wiedergesehen, mit dem Wissen von etlichen anderen Aldrich Filmen im Hinterkopf und was soll ich sagen : "Ich liebe ihn immer noch" !

Der Konflikt den Aldrich in seinem berühmten Flugzeugabsturzfilm beschreibt ist auf den ersten Blick ein 2 Parteien Konflikt. Auf der einen Seite der technokratische, kalte und natürlich deutsche (Modellbau) Ingenieur Dorfmann (Hardy Krüger) und auf der anderen Seite der moralisch integre, von Selbstzweifeln zerfressene Pilot Towns (James Stewart). Aldrich läßt die Moderne auf die alte Zeit prallen. James Stewart weiß das auch nur verbietet es ihm seine Moral dies laut auszusprechen was er in sein Tagebuch schreibt "Diesen Kerlen mit ihren Rechenschiebern und Computern wird eines Tages die Welt gehören". 
Ähnlich wie viele andere Filme des Meisters ist dies ein enorm hermetisches Werk, das so dermaßen verdichtet und spannend ist, dabei immer noch vollkommen zeitlos daherkommt. Der Grundkonflikt macht dies vor allem aus aber auch die vielen anderen Konflikte der Insassen die hier aufeinanderprallen sind hochinteressant. Wegweisend in dieser Konstellation natürlich auch für den Katastrophenfilm der 70er (EARTHQUAKE, POSEIDON ADVENTURE, THE TOWERING INFERNO um nur mal kurz die mir liebsten zu nennen) aber auch abseits der zwei Hauptfiguren und deren Mittler (noch so eine interessante Figur, Co-Pilot Richard Attenborough, Alkoholiker) gibt es einiges zu entdecken Rassismus, militärische Hörigkeit samt der Disziplin, die in Frage gestellt wird, Pragmatismus, Irrsinn, Feigheit usw. Alles auf den existentiellen Überlebenskampf heruntergebrochen, der sich auch in den Aufnahmen niederschlägt. Anstatt die Natur in ihrer tödlichen Opulenz zu zeigen wird hier oft auch aus Untersicht die Wüste zum Kerkerraum aus dem es zu fliehen gilt. Geschaut wird von den Toten auf die Lebenden oder aus dem dunklen Wrack in die gleißende Helligkeit hinaus. 
Der absolute Oberhammer ist darüberhinaus aber auch die Tatsache das Aldrich seine filmischen Stilmittel gleich zu Beginn nutzt um uns klarzumachen, dass dies ein Film nicht der einen sondern der vielen Kollisionen ist. Nachdem das Flugzeug gestartet ist, die Passagiere mit jeweils einer Situation vorgestellt wurden, werden wir mit der schwierigen Situation im Cockpit vertraut gemacht und erst nach 8 1/2 Minuten setzen die Opening Credits ein. Ja und was macht Aldrich ? Er nutzt Freeze-Frames als das Flugzeug abstürzt. Er hält an, verdichtet, läßt seine Truppe während des Absturzes mit dem Film kollidieren. 
Kein Hehl wird draus gemacht und das gleich zu Beginn. Ein Film der Kollisionen. Gestern, Heute und wohl auch noch Morgen und ja natürlich ein Film des Überlebens !


10/10 *

Montag, 13. April 2015

Bergman Reihe : Aus dem Leben der Marionetten


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Der Geschäftsmann Peter Egerman (Robert Atzorn) ermordet die junge Prostituierte Katharina Krafft (Rita Russek) und vergeht sich an ihrer Leiche. In Rückblenden und Vernehmungsprotokollen mit Freunden und Angehörigen wird untersucht wie es dazu kam, was für Motive er gehabt und was für ein Mensch er war. Peter ist erfolgreicher Geschäftsmann in München, verheiratet mit einer ebenso erfolgreichen Frau, die genauso wie sein Opfer, Katharina heißt und in der Modebranche mit dem homosexuellen Walter Schmidinger, genannt Tim, zusammenarbeitet. Ihre Ehe ist desolat und von Kompromissen geprägt. Beide scheinen sich immerzu aus dem Weg zu gehen. Zu Beginn gesteht Peter seinem Psychiater (Martin Benrath) er verspüre Mordgelüste seiner Frau gegenüber. Dieser versucht ihm die Phantasien auszureden. Als Peter im Gehen begriffen ist, belauscht er ein Gespräch zwischen seiner Frau und dem Psychiater, die offensichtlich eine Affäre haben. Von Tim erhält Peter die Adresse der Prostituierten Katharina, genannt Ka.
Die letzten Szenen zeigen die Analyse des Psychiaters, der Peters unterdrückte Triebe für die Tat verantwortlich macht und Peter in seiner Zelle, der vollkommen in sich zurückgezogen lebt.


Aus dem Leben der Marionetten ist eine deutsch-österreichischer Film, den das ZDF für die Reihe "Das kleine Fernsehspiel" produziert hat. Die Schauspieler stammen hier wieder vorwiegend aus seiner Theatertruppe vom Münchner Residenztheater. Für Robert Atzorn war dies übrigens auch sein Spielfilm Debut.


Bevor man überhaupt auf die Figuren und das Thema des Films kommt, bemerkt man vor allem eins, daß dieser Film in seiner gesamten Ästhetik nicht nur wunderschön gefilmt ist, er erinnert in seiner überbelichteten Schwarz/Weiß Stilisierung sehr an Bergmans Phase der 60er Jahre. Ganz besonders an Persona. Überhaupt könnte man fast meinen dies sei ein typischer schwedischer Bergman Film. Man hat hier zwar nicht die typischen Bergman Schauspieler aber die Inszenierung der Gesichter, der Dialoge sind äußerst konzentriert. Ein kleiner Bergman, der hier sein deutsches Theaterensemble zu großartigen Leistungen brachte.
Interessant ist ersteinmal die Tatsache, dass Bergman hier, nach eigenen Aussagen, die Geschichte des Ehepaars Katharina und Peter aus Szenen einer Ehe verfilmen wollte, dort dargestellt von Bibi Andersson und Jan Malmsjö. Was wir hier allerdings sehen ist kein Film über eine Ehe sondern der eines Zustands, was ihn eher in die Nähe eines Films wie Das Schweigen rückt. Die Welt, die Bergman hier zeigt ist grau, weiß und leblos. Die Personen die in ihr Gefangen sind ebenso. Sie existieren aber leben nicht, so als ob sie in einem Programm gefangen wären aus dem sie nicht ausbrechen können.
Der schwule Tim, der mit Katharina in der Modebranche zusammenarbeitet und schon länger mit ihr befreundet, ist die einzige Person, die mit sich hadert und reflektiert. In einer Szene wird dies zusätzlich noch durch einen Spiegel symbolisiert in dem er seine Vergangenheit mit der Gegenwart konfrontiert und von seinen Gefühlen erzählt. Während Katharina vollkommen abwesend ist, überschreitet Tim hier eine Grenze, zu der die anderen keinen Zugang haben, da sie nicht fähig und zu ermattet sind.
Aber auch Tim ist ein Gefangener seiner Selbst. Im Gegensatz zu den anderen hat er allerdings ein Bewußtsein und weiß wie es sich anfühlt zu leben. Als Tim Katharina seine Hand gibt und sie fragt :"Spürst du das?" antwortet sie :"Ja, aber ich spüre nicht, das du es bist." Tim spricht mit einer Toten, die sich aus Angst vor dem Leben in ständiger alkoholischer Betäubung befindet.
Diese Angst sitzt auch bei Peter tief, so tief das eine Analyse für die Ursachen dieser Angst vollkommen zwecklos ist. Die angebliche Hilfe des Psychiaters ist von oberlächlichem Zynismus und phrasenartigen Diagnosen geprägt.
Peter und Katharina sowie alle anderen bewegen sich wie leblose Körper innerhalb ihrer abgesteckten Grenzen, ihrer Möglichkeit beraubt dies auf impulsive Art zu ändern, ohne jegliches Bewußtsein ohne wirkliche Verbundenheit ohne Vergangenheitsgefühl.
Dieser Zustand ist es der stark an die 60er Phase erinnert.


Was die Vergangenheit von Peter Egerman angeht so zeigt uns der Film in seinem mosaikartigen Aufbau innerhalb der rückblickenden Interviews und Vernehmungsprotokolle eine Vergangenheit die durch den Aufbau des Films als bruchstückhaft dargestellt wird.
Eklatant die letzte Szene des Films in der Peter Egermann vollkommen in sich zurückgezogen in seiner Zelle gezeigt wird und sich bei ihm in Form eines Teddybärs vorsichtig die Reflexion seiner Kindheit zeigt. Als nicht mehr funktionierende Marionette ist diese von der Gesellschaft als gestört bezeichnete Form des Daseins aber auch nur eine Weiterführung seines bisherigen leeren und ebenso gestörten Lebens als Geschäftsmann. Peter Egermann hat nachwievor keine Kontrolle über sich.
Die Vergangenheit ergibt bei Bergman immer im Zusammenhang mit dem Unterbewußten den Lebensstrang der sich im Hier und Jetzt bildet. In einer Schlüsselszene des Films (siehe Screen Shot oben) sieht man innerhalb einer der zwei Traumszenen des Films Peter und Katharina aus der Vogelperspektive wie Marionetten hilf und leblos nebeneinander liegen.


Weiß ist das Nichts. Form und Inhalt decken sich zu 100%.
Interessant ist hierbei die Wahl der Farbe zu Anfang und zum Ende des Films, welche laut Anekdoten eher zufällig gewählt wurde, da Bergman den Film komplett in s/w drehen wollte aber vom ZDF angehalten wurde, das dies die Zuschauer an den Geräten verschrecken würde. Man könnte ja annehmen das TV-Gerät sei kaputt.
Die Farbe kommt am Anfang und Ende zum Einsatz als Peter die Prostituierte Ka tötet. Ein Impuls, der innerhalb der Traumszene von seinem Unterbewußtsein ausgelöst wird und sich in der Realität im Gegenstück von Katharina kanalisiert. Ka ist die einzige die in dieser Welt normal ist, die gesund ist in ihrem Empfinden und in ihrem Bewußtsein. Das komplette Gegenteil zu allen Figuren des Films. Ein Geniestreich diesen Ausbruch wiederum als Gegenteil zum leblosen s/w zu drehen.


Aus dem Leben der Marionetten besitzt zwar nicht die Wucht und auch nicht die surreale Sprengkraft der 60er Jahre Filme, die Themen im Zusammenspiel mit der Ästhetik machen aus ihm allerdings eine kleine Perle. Eine wahre Entdeckung.


8/10

Bergman Reihe : Höstsonaten (Herbstsonate)


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Charlotte Andergast (Ingrid Bergman) besucht an einem Wochenende im Herbst ihre Tochter Eva (Liv Ullmann) in ihrem Haus in Norwegen. Charlotte ist Konzertpianistin, die ihre Tochter seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Eva ist mit dem Pfarrer Viktor (Halvar Björk) verheiratet und pflegt ihre geistig und körperlich behinderte Schwester Helena in ihrem Haus. Mutter und Tochter erhoffen sich eine gegenseitige Annäherung an diesem Wochenende. Am späten Abend spielt Eva ihrer Mutter ein Stück von Chopin am Klavier vor. Charlotte straft sie darauf mit Kritik und demonstriert ihr das man dieses Stück kühl und kraftvoll spielen muß. In der Nacht hat Charlotte einen Alptraum indem ihre Tochter Helena ihre Hand erdrückt. Danach treffen sich Charlotte und Eva zu einem nächtlichen Gespräch, welches bis in den Morgen reicht. Eva macht ihre Mutter für das Leiden ihrer Schwester sowie für ihr eigenes psychisches verantwortlich. Ihre Mutter hätte ihre Kinder im Stich gelassen und sich nur auf ihre Karriere konzentriert. Durch die fehlende Mutterliebe hätte Eva erst gelernt ihre Gefühle zu unterdrücken auch ihrem Ehemann gegenüber. Charlotte ist erschüttert von diesen Vorwürfen, kann ihnen aber nicht viel entgegensetzen. Die Aussprache zwischen Mutter und Tochter wird immer wieder von kleinen Einstellungen aus der Vergangenheit unterbrochen.
Am nächsten Tag reist Charlotte überstürzt ab. Eva schreibt ihr einen Brief indem sie einiges der Aussprache zurücknimmt.
Charlotte befindet sich auf der Zugfahrt zum nächsten Konzerttermin und erzählt ihrem Agenten Paul (Gunnar Björnstrand) ihren Kummer. Als dieser sie trösten will, zieht sie ihre Hand von ihm zurück.

Nachdem Bergman immer noch in Deutschland ansässig sein Schlangenei komplett auch dort drehte zog es ihn für sein nächstes legendäres Projekt wieder nach Skandinavien und zwar nach Norwegen. Produziert wurde Höstsonaten von seiner in München gegründeten Firma Personafilm. Legendär weil dies natürlich der erste Bergman & Bergman Film ist und was für einer ! Ingrid und Ingmar Bergman kannten sich schon länger. Sie hatten auch schon seit geraumer Zeit vor etwas gemeinsam zu drehen. Ein anvisiertes Projekt wurde nie realisiert und dann schickte Ingmar Bergman Ingrid Bergman dieses Drehbuch mit dieser Rolle welche explizit die wunden Punkte ihres Privatlebens und ihrer Biographie aufgreift. In den 40er Jahren ließ Ingrid Bergman ihr Kind Pia, welches sie in den USA mit dem Zahnarzt LIndström hatte, allein, um mit Roberto Rossellini Stromboli zu drehen. Dabei verliebte sie sich in Rossellini, was einen Skandal in Hollywood auslöste. Als sie von ihm schwanger wurde kochte der Herd sogar über und in all den Jahren vernachlässigte sie ihre Tochter in den USA, die sie auch erst nach langer Zeit wiedersah. Zufall oder nicht, was für ein Teufel, der Ingmar doch gewesen ist.


Wenn man Höstsonaten , wie ich, zum ersten Mal gesehen hat, kann man nur sagen : Hut ab vor dieser Frau, die mit zuvor diagnostiziertem Brustkrebs diese Rolle abliefert und bis ins kleinste Detail dabei auf die Knochen geht. Dabei muß man anmerken, dass die Dreharbeiten zwischen den beiden Bergmans nicht gerade einfach verliefen, wie Liv Ullmann berichtete.Bergman und Bergman sollen sich während des Drehs wohl permanent gestritten haben. Das Ergebnis spricht für sich. In der Tat möchte man Ingrid Bergman hier am liebsten schon in den ersten 45 Minuten hochkant aus dem Film befördern, so brachial enervierend gibt sie die vor Vitalität strotzende Charlotte. Während man Eva ständig rütteln und schütteln möchte.


Höstsonaten ist ein schwer auszuhaltender Film und eine Tortur im besten und positiven Sinne für die man als Zuschauer reichlich belohnt wird. Die ersten 45 Minuten sind eine Einleitung auf eine Aussprache, die retrospektiv gesehen wohl zu den heftigsten Aussprachen in einem Ingmar Bergman Film gehört. Darüberhinaus wohl eine der emotionalsten und krassesten Aussprachen zwischen Mutter und Tochter in der gesamten Filmgeschichte darstellt und auch einer der Gründe warum dies für lange Zeit Liv Ullmanns letzte Zusammenarbeit mit Bergman war, da sie sich dieser Intensität endgültig nicht mehr aussetzen wollte. Später als er sie bei Fanny & Alexander besetzen wollte lehnte sie ab, was sie wiederum später bereuhte.

Der Film beginnt wie eine Ouvertüre als Eva von ihrem Ehemann vorgestellt wird sind es seine Gedanken, die uns Eva nahebringen und uns später wiederbegegnen. Genauso wie Charlottes Monologe letztendlich Gedanken sind, die herausgeplappert werden, schwer erträglich aber gut zu dieser Vitalität passen, die im Grunde ein Selbstschutz ist, da sich dahinter die pure Angst und Hilflosigkeit verbirgt. Umso wichtiger ist die Figurenkonstellation in der ersten Hälfte, die zwar schwer auszuhalten ist aber umso deutlicher macht, wie fremd sich Mutter und Tochter sind, dass hier nichts stimmt, es keine Gemeinsamkeiten gibt.
Auf der einen Seite Ingrid Bergman als Charlotte, die alles niederwalzt und der man am liebsten einen Maulkorb verpassen möchte und auf der anderen Liv Ullmann als Eva, die wie eine alte Jungfer daherkommt und in ihrer ganzen Mimik und Bewegung etwas devot, unterwürfiges hat.


Bergman bereitet die Fronten vor und läßt Ingrid Bergman mit ihrer Vitalität vor nichts Rücksicht nehmen zb. in der Szene in der sie mit Eva in das Zimmer der kranken Helena kommt aus dem sie am liebsten gleich wieder schreiend rausrennen würde. Er kehrt dies auch ins komische und läßt sie in dieser selbstironischen Sequenz über den Macher selbst zetern :


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Ingrid Bergman im Bett mit einem wohlbekannten Romanautor : "Das ist ja nicht zu glauben : Ein richtiger Schwulstikus. Oh Gott, so ein Quatsch."

Ungefähr ab der 45. Minute folgt die Stunde der Wahrheit in der alles auf den Tisch kommt. Eingeleitet wird dies durch einen Traum in dem Charlotte träumt die Hände ihrer behinderten Tochter, die sie zuerst sanft berühren, würden sie erdrücken. Wiedereinmal ist das Unterbewußtsein Auslöser für eine Reflexion, die mit einer einfachen, berechtigten Frage an die Tochter beginnt :"Eva, magst du mich eigentlich"? Die Tochter nimmt diese Frage ernst und antwortet :"Ich weiß es nicht."


Damit beginnt die Stunde der Wahrheit. Schritt für Schritt wird Eva sich wahrheitsgemäß öffnen und erzählen wie sie sich sieht und wie sie ihre Mutter sieht, wie sie sich dabei fühlt bzw. gefühlt hat. Das funktioniert ganz langsam. Man kann dabei zusehen wie hier etwas geschält wird. Schicht um Schicht um Schicht fällt bis man beim dunklen Kern angelangt ist, der dann tatsächlich auch noch herausgeholt wird. Dabei läßt sich die Aussprache im Grunde in 4 Teile gliedern. Am Anfang erzählt Eva generell vom Zusammenleben. Im zweiten Teil erzählt sie konkret von der Zeit mit ihrer Mutter. Im 3. Teil, welches der heftigste ist, geht es um ihre Abtreibung als sie erwachsen war und im 4. Teil kommt dann die Liebesgeschichte hinzu. Charlotte versucht dabei dem immer noch eine positive Seite abzugewinnen. In der Rückblende als die Geschichte um Helena erzählt wird zieht Bergman die Zange nochmals weiter an und tischt nun die zweite Mutter-Tochter Geschichte innerhalb dieser Aussprache auf. Als Charlotte sich auf den Boden legt und ihre Geschichte erzählt wird deutlich, dass es noch eine Dimension gibt, nämlich die Zeit vor Eva. Wir sehen und hören eine Frau, die Angst vor diesem Kind hatte, Angst vor der Verantwortung, Angst den Erwartungen nicht gerecht zu werden um dann von diesem Kind zu hören, was diese Ängste bewirkt haben.

Eva (Liv Ullmann) : "Mutter und Tochter : Was für ein furchtbares Konglomerat aus Gefühl, Verwirrung und Zerstörung. Alles ist möglich, alles ist erlaubt, alles geschieht im Namen der Liebe. Die Schäden der Mutter erbt die Tochter. Für die Enttäuschung der Mutter hat die Tochter aufzukommen. Das Unglück der Mutter muß das Unglück der Tochter werden. Es ist als sei die Nabelschnur niemals durchtrennt worden."

Ist eine der vielen, eindringlichen Passagen innerhalb dieser Aussprache, die ungemein brutal sind. In Höstsonaten wird die Unbarmherzigkeit der Aussprache nochmals in ganzer Länge auf die Spitze getrieben. Entblößung und Enttabuisierung der Familie. Reflexion und Wertung. Alles wird ausgesprochen.

Stilistisch hervorzuheben sind die langen Naheinstellungen und die typischen Konstellationen der Köpfe, die man aus so vielen Bergman Filmen kennt.
Aufgebrochen wird dies immer wieder innerhalb der kleinen Rückblenden, die nicht erzählerisch erklären sondern wie kleine Stilleben aus einem vergangenen Leben wirken. Nykvist arbeitet im Kontrast zur dunklen Szenerie innerhalb der nächtlichen Aussprache, hier mit warmen Licht und Totalen, so das kleien Tableaus entstehen in denen die Personen immer im Hintergrund zu sehen sind.
Ähnlich wie in seinen früheren Filmen gibt es hier wieder direkten Monolog wie die Vorlesung des Briefes am Ende in die Kamera.

Jener Brief, den Eva ihrer Mutter schreibt, suggeriert anhaltende Hoffnung. Doch die Problematik wird nicht gelöst, denn der Film bleibt sich ehrlich, was auch der langanhaltende Blick von Charlotte verdeutlicht : Machtlosigkeit.

Man kann auch einfach mal ganz salopp schreiben : Höstsonaten ist ein Runterzieher vor dem Herrn aber einer der sich immer lohnt !

In diesem Sinne :
9/10

Bergman Reihe : The Serpent´s Egg (Das Schlangenei)


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Berlin während der großen Depression, 1923. Der jüdisch-amerikanische Zirkusartist Abel (David Carradine) lebt mit seinem Bruder Max ohne Engagement in dieser Stadt und versucht über die Runden zu kommen. Schon bald findet er Max erschossen in seiner Pension vor. Der zuständige Kommissar (Gert Fröbe) zeigt Abel eine Reihe von Toten, die alle genau wie sein Bruder Selbstmord begingen nachdem sie an Wahnvorstellungen litten. Alle Todesfälle kreisen um seinen Bruder. Abel fällt unter die Beobachtung des Komissars und wird verdächtigt. Derweil entspinnt sich zwischen Max´Witwe Manuela (Liv Ullmann) und Abel eine tiefere Beziehung. Geplagt von Depressionen und Alkoholsucht streunt Abel orientierungslos durch das nächtliche Berlin, welches apokalyptisch anmutet.
Nazischergen überfallen den Nachtclub in dem Manuela auftritt und Abel beobachtet wie ein Pferd auf offener Straße ausgeweidet wird um es zu essen. Zudem scheint die gewaltsame Stimmung in den Straßen auch auf ihn abzufärben.
In dem Nachtclub lernt Abel den früheren Jugendfreund Hans Vergerus (Heinz Bennent) kennen. Als Abel von der Haushälterin Manuelas nicht mehr geduldet wird, bietet ihnen Hans ein Zimmer und Arbeit auf dem Gelände seiner Klinik an. Abel spürt schon bald, das dort nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht. Schon bald kommt er dem grauenhaften Geheimnis auf die Spur als er eine Geheimkammer, an ihr Zimmer grenzend, entdeckt. Vergerus entpuppt sich als grausamer Sadist, der mit seinen Patienten Psychospiele treibt und Arbeitslose von der Straße holt um mit ihnen grausame Experimente durchzuführen und diese auf Film dokumentiert. Er ist auch derjenige, der hinter den Morden steckt. Vergerus prophezeit eine neue politische Macht, die sich dem Frust des Volkes annehmen, ihn ballen und lenken wird.
„Jeder kann sehen, was die Zukunft bringt. Es ist wie ein Schlangenei. Durch die dünnen Häute kann man das fast völlig entwickelte Reptil deutlich erkennen.“ Als die Polizei die Klinik stürmt schluckt er eine Zyankalikapsel und zieht sich aus der Verantwortung. Manuela wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen und Abel taucht unter.

Anfang 1976 wurde Ingmar Bergman der Steuerhinterziehung bezichtigt und angeklagt, was einen Riesen Presse Wirbel in Schweden verursachte. Die Klage wurde zwar schnell fallen gelassen doch die Wogen glätteten sich nicht und Bergman, zutiefst verärgert, gekränkt und deprimiert verlagerte seinen Wohnsitz nach Deutschland und zwar nach München wo er bis 1985 arbeitete und am Residenztheater inszenierte.1976 wollte er mit den Dreharbeiten eigentlich schon in Stockholm beginnen, doch dann kam ihm der Steuerskandal dazwischen. Bevor er in München ankam traf er in Hollywood Dino De Laurentiis, der begeister war von dieser Horror-artigen Cabaret Version. In Deutschland angekommen kam dann noch Horst Wendlandt als zweiter Produzent dazu und nichts stand dieser internationalen Großproduktion mehr im Wege. Liv Ullmann stand als weibliche Hauptrolle schon fest doch für den Part des Abel fehlte noch ein US-Star. Nachdem Dustin Hoffman, Robert Redford und Peter Falk absagten wurde Richard Harris engagiert, der aber kurz vor Drehbeginn absprang und für ihn David Carradine nachrückte. The Serpent´s Egg sollte Bergmans bis dato teuerste Produktion werden.
Der Film floppte und wurde von den meisten Kritikern nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Auch heute gilt der Film nicht unbedingt als Glanzstück seines Meisters. The Serpent´s Egg ist allerdings kein schlechter Film aber einer, der wohl konventionellsten Bergman Filme, da er eigentlich wirkt wie ein Bergman Film ohne Bergman. Liv Ullmann sagte einmal über die Dreharbeiten, dass Bergman hier alles erdenkliche zur Verfügung gestellt wurde, er aber gar nicht wirklich wusste was er damit anstellen solle. Wie ein Kind im Spielzeugparadies wirkte er überfordert mit dieser Situation.

The Serpent´s Egg ist eine alptraumhafte, morbide, kafkaeske in Absinth getränkte Faschismus Parabel. Es ist aber auch ein Film dem eine vollkommen verschenkte Kriminalhandlung innewohnt, die einem nochmal klarmacht, dass Bergman kein Genre-Regisseur war. Eine Kriminalhandlung die sich nicht von ungefähr an Fritz Lang anlehnt. Gert Fröbe in der Rolle des Kommissar Lohman und Heinz Bennet als Dr. Mabuse, der hier wie die Kolportage Version eines Arztes aus früheren Bergman Filmen wirkt. Die Story ist nicht wirklich geradlinig. Manche Stränge reißen abrupt, während andere schnell aufgenommen werden. Die Figurenkonstellation bleibt vage ob zu Vergerus oder zu Manuela und auch auf der thematischen Ebene bleibt vieles im Dunkeln und wirkt recht unentschieden. Dafür das der Film gegen Ende etwas derart abgründiges und prophetisches darstellt, wirkt die Strecke die dazu führt sehr holprig.

Dennoch, wie gesagt kein schlechter Film da The Serpent´s Egg von einer Atmosphäre durchzogen ist, die ihn am laufen hält und zum großen Teil auch äußerst faszinierend und ja auch spannend macht.

Abel zur Hure, die ihn mit aufs Zimmer nehmen will :
"Go to Hell !"
Sie antwortet :
"Was denkst du denn, wo wir sind ?"

Als Manuela einen Priester aufsucht, sagt dieser :
"Wir leben weit entfernt von Gott. So weit fort, dass er uns nicht mehr hören kann, wenn wir ihn um Hilfe bitten. Wir müssen uns gegenseitig die Vergebung gewähren, die der ferne Gott uns versagt."

Das Berlin von Ingmar Bergman ist bei allem historischem Studiosetting, welches höchst artifiziell in seiner Künstlichkeit gehalten ist, kein zeitliches Berlin. Es ist die Hölle auf Erden. Draußen hungern die Menschen, Schlägertrupps ziehen durch die Straßen und drinnen wird auf dem Vulkan getanzt, in den Nachtclubs und Bordellen gibt man sich jedweder Perversion hin. Einige Szenen sind hier von einer überraschenden Sleazigkeit geprägt genauso wie es hier für einen Bergman Film ungewohnt gewalttätige und blutige Szenen gibt, die einen sehr konsequent überraschen.
Abel taumelt druch dieses Szenario wie ein benommener Beobachter, der alles in sich aufsaugt und wieder ausspeit. Eine im Grunde fast tote, leb und wehrlose Person, da er als Alkoholiker fast jede Nacht in seinem Rausch erlebt. Auch die latente Gewalt, die das Szenario durchzieht wird von ihm aufgesogen, kompensiert, bis sie aus ihm herausbricht.
Dieses Berlin wirkt fast so als würde die unbekannte Stadt aus Tystnaden (Das Schweigen) ein Gesicht bekommen.
Eine Gesellschaft am Abgrund, die sich in Auflösung befindet, wird hier dargestellt und wie Nebelschwaden steigt der aufkommende Faschismus, der sich in die Gedanken der Betäubten schleicht, empor.

Vergerus zu Abel :

"Abel, sieh Dir das mal an. Sieh all die Menschen. Sie sind alle viel zu erniedrigt, viel zu verängstigt, zu unterdrückt um Revolution zu machen. Aber, in zehn Jahren werden die zehnjährigen zwanzig sein, die fünfzehnjährigen Fünfundzwanzig. Zu dem Haß den sie von ihren Eltern eingeimpft bekommen haben werden ihr eigener Idealismus und ihre Ungeduld hinzukommen. Einer wird hervortreten und ihre Empfindungen in Worte fassen. Er wird ihnen eine Zukunft versprechen. Er wird Vorderungen stellen. Er wird von Größe sprechen und von Opfer. Die jungen und unerfahrenen werden die müdegewordenen und unentschlossenen durch ihren Mut und ihr Vertrauen mitreissen und dann wird es eine Rvolution geben und die Welt wird in Blut und Feuer untergehen."

Das Bergman, der sonst in seinen Filmen mit symbolhaften und kodierten Hinweisen arbeitet hier weitestgehend auf eine Subtilität verzichtet und seine Faschismus Parabel ganz klar zu erkennen gibt, läßt the Serpent´s Egg in einem zweischneidigen, etwas unentschiedenen Licht erscheinen. Die Parabel wirkt etwas platt und der Genrefilm will nicht wirklich funktionieren. Die undurchdringliche Atmosphäre, welche auch an Skammen und Tystnaden erinnert, ist es allein, die den Film zusammenhält und ihn vor dem Zusammenbruch rettet. Die Frage ob diese Missstände den Produktionsumständen zuzuschreiben sind liegt nahe, ist aber von mir jedenfalls nicht zu beantworten.

6-7/10

Alle Filme März 2015

Ein Filmmonat mit allen gesehenen Filmen in Listenform für das virtuelle Gedächtnis.

* = keine Erstsichtung
(DC) = Directors Cut
(3D) = Mit Brille
(Kino) = im Kino gesehen
(short) = Kurzfilm

Short Cuts Restart

Dies ist er also. Mein erster Blog. Nachdem ich fast 5 Jahre meine Gedanken, Eindrücke, Analysen und ausführlichen Texte zu verschiedenen Filmen auf www.filmforen.de veröffentlicht habe, soll dies nun ein neuer Anfang werden. 
Ein neuer Anfang ? Ja, da die legendären Filmforen ihre Tore Ende Mai schließen werden und ich die Schreiberei über mein Lieblingsmedium Film, welches mich seit meiner Kindheit beschäftigt und die letzten Jahre immer mehr Platz in meinem Leben eingenommen hat, mittlerweile nicht mehr missen möchte.

Ich bin allerdings kein regelmäßiger Schreiber. Zur Regelmäßigkeit zählen ersteinmal meine monatlichen Filmlisten mit allen gesehenen Filmen inkl. Bewertungen sowie kurze Kommentare und Anmerkungen zu dem ein oder anderen gesehenen Film. Unregelmäßig wird es weiterhin ausführlichere Texte, ganz nach Lust und Laune geben und auf jeden Fall sehr ausführliche Texte innerhalb der noch laufenden Bergman Retrospektive, die ich immer noch mit einem Freund seit knapp 3 Jahren bestreite. 

Um diesen Blog mit ein wenig Inhalt zu füllen, poste ich einfach mal meine letzte Monatsliste von Filmforen.de sowie die letzten 3 Bergman Einträge. 

Alle meine folgenden, neuen Einträge werden im grandiosen Filmtextregister von Filmforen verlinkt. 

Alle meine Texte sind auch dort abrufbar und zwar HIER
Über Anregungen und Kommentare bin ich stets dankbar. Über Diskussionen und Meinungsaustausch, welche sich aus meinen Postings ergeben, ebenfalls. 
Von daher sag ich jetzt einfach mal viel Spaß beim Lesen !