Filmregisseur Martin (Hasse
Ekman) ist im Studio am Set zu seinem neuen Film. Er erhält
unerwartet Besuch von seinem alten Mathematikprofessor Paul (Anders
Henrikson). Beim Mittagessen erklärt Paul den Filmleuten den Anlass
seines Besuchs. Er habe eine Idee für einen Film. Ein Film, der sich
jeglicher Kategorisierung und moralischen Standpunkten entzieht.
Ausgangssituation ist, dass der Teufel die Erde regiert und Gott tot
oder abwesend ist aber alles seinen gewohnten Werdegang nimmt. Später
erzählt Martin seinen Freunden Thomas (Birger Malmsten) und Sofi
(Eva Henning) von der Filmidee des Professors. Thomas, der erfolglose
Schriftsteller ist fasziniert von der Idee ein Filmskript über die
Hölle auf Erden zu schreiben und zeigt Martin einen Artikel den er
begonnen hat zu schreiben. Als Journalist begann er einen Artikel
über Stockholms Nachtleben zu schreiben, den er aber wieder verwarf.
Er suchte für Recherchen die junge Prostituierte Birgitta Carolina
(Doris Svedlund) auf, die zusammen mit ihrer Schwester Linnea (Irma
Christenson) und ihrem Verlobten Peter (Stig Olin), der gleichzeitig ihr Zuhälter ist, in einer kleinen
Wohnung leben und versuchte sie über ihre Tätigkeit auszufragen,
was in einer Rückblende zu sehen ist. Thomas erzählt Martin, dass
dies genau die Hauptperson für seinen Film sei und dass ihr
Verlobter ein wenig aussehe wie er selbst.
Eine Erzählerstimme aus dem
Off erklärt, dass dies der Prolog für den folgenden Film „Fängelse“
gewesen sei, der nun beginnt. Die Erzählerstimme liest die Credits
vor, während die Kamera durch eine Einkaufsstraße gleitet. Sechs
Monate sind vergangen, seit dem Prolog. Birgitta Carolina ist
schwanger und bricht auf der Treppe zu ihrer Wohnung zusammen. Das
Kind kommt in ihrer Wohnung zur Welt und Peter und Linnea versuchen
sie davon zu überzeugen das Baby in ihre Obhut zu geben, da die
staatlichen Instanzen es ihr eh wegnehmen würden. Thomas und Sofi
besuchen Martin am Filmset, wo Sofi Martin unter vier Augen erzählt,
dass ihre Beziehung zu Thomas immer schwieriger wird. Am Abend in
Thomas und Sofis Wohnung : Beide haben zu viel getrunken. Thomas
setzt einen Abschiedsbrief für ihn und Sofi auf und versucht Sofi im
Suff beizubringen warum sie sich umbringen sollten. Fassungslos über
sein Verhalten schlägt Sofi Thomas mit einer Flasche nieder als er
versucht sie zu erwürgen. Währenddessen sucht die Polizei nach
Birgitta Carolina. Als sie nach Hause kommt und die zwei Polizisten
sieht läuft sie weg und versteckt sich im Keller des Hauses, wird
jedoch Minuten später dort von einem der Polizisten gefunden. Auf
dem Revier ist auch Thomas, der behauptet er habe seine Frau
ermordet. Die Polizei vernimmt Birgitta in Verdacht auf Prostitution.
Ihr Verlobter Peter kann sie jedoch überzeugen, dass sie bei ihm im
Geschäft arbeitet. Thomas nimmt einen Polizisten mit in seine
Wohnung um ihm die Leiche von Sofi zu zeigen. Der Polizist findet
keine Leiche stattdessen aber einen Brief von Sofi an Thomas in dem
sie ihm schreibt, dass sie sich von ihm trennt. Draußen auf der
Straße begenen Birgitta Carolina und Peter, Thomas, der dort in der
Dunkelheit sitzt. Als Peter weggeht um ein Taxi zu rufen bittet
Birgitta Thomas mit ihr abzuhauen. Thomas und Birgitta suchen ein
Zimmer für die Nacht und kommen in einer Pension unter, in der
Thomas früher gewohnt hat. Sie schlafen getrennt voneinander ein. Am
nächsten Morgen will Birgitta gehen als Thomas noch schläft. Die
Haushälterin bietet ihr Kaffee an. Am Tisch sitzt ihre Cousine Anna.
Als sich zu der Runde der Liebhaber von Anna gesellt und dieser
Brigitta erkennt, verläßt sie den Raum wieder. Sie belauscht das
junge Pärchen und bekommt ein Gespräch mit wo es um Heirat und
Kinder geht. Thomas ist mittlerweile erwacht und hat einen alten
Cinematograph gefunden. Gemeinsam schauen sie sich einen
kleinen Slapstick Film an, in dem ein Mann vom Teufel, dem Tod, einem
Dieb und der Polizei in seinem Zimmer heimgesucht wird. Hier in
diesem Zimmer verbringen die beiden eine kurze Zeit in der sie sich
näher kommen. Eines Nachts hat Birgitta einen Traum, der sie durch
eine starre Menschenmenge führt und am Ende sieht sie Peter,
wie der ihr Kind tötet. Sie erzählt Thomas von dem Kind, dass ihr
weggenommen wurde. Peter und Linnea erfahren aus der Zeitung, dass
die Leiche des Kindes gefunden wurde. Sie beschließen Birgitta zu
suchen weil sie Angst davor haben sie könnte der Polizei zu viel
erzählen. Peter taucht in Thomas Wohnung auf und trifft dort auf
Sofi und Martin. Er erzählt ihnen, dass Thomas krank sei und dass
Sofi mit ihm sprechen sollte. Er erpresst sie indem er ihr erzählt,
dass die Polizei sehr daran interessiert sei die Mutter des Kindes
für den Mord verantwortlich zu machen und dass er nur seine Verlobte
wiederhaben möchte. Sie suchen Thomas auf, der aber bei Birgitta
Karolina bleiben möchte weil er in sie verliebt sei. Als Thomas nach
ihr fragt ist Birgitta verschwunden und zu Peter, in ihr altes Leben,
zurückgekehrt. Linnea erzählt Birgitta, dass das Baby zu töten
einfacher war als eine Katze umzubringen. Als Peter sie fragt ob sie
ihn liebe, klingelt es an der Tür. Es ist Thomas dem sie erklärt,
dass sie bei Peter und Linnea bleiben werde. Niedergeschlagen treibt
es Thomas raus in die Kälte. Bei Peter und Linnea kommt ein
Stammkunde vorbei, der Birgitta schon früher misshandelt hat. Als
sie sich ihm nicht fügen will drückt er seine Zigarette auf ihrem
Arm aus. Des Nachts als Peter und Linnea schlafen geht Birgitta in
den Keller und schneidet sich dort die Pulsadern auf. Sie stirbt
einen langsamen Tod. Peter findet ihren Leichnam und trägt sie
voller Schmerz die Stufen hinauf. Thomas kehrt zu Sofi zurück und
fragt sie ob sie nochmal neu beginnen wollen. Sofi kümmert sich um
ihn, sagt aber, dass sie Zeit brauche.
Zurück im Filmstudio erzählt
ein Kollege Martin, dass Thomas zu Sofi zurückgekehrt ist und dass
Birgitta sich umgebracht hat. Er fragt ihn ob aus ihrer Geschichte
nun ein Film über die „Hölle auf Erden“ entstehen könnte. Als
sein Mathematikprofessor sich dazugesellt und ihn auch die Frage
stellt, verneint er diese. So ein Film würde mit einer Fangfrage über
das Leben auf Erden enden, die unbeantwortet bleiben würde.
Fängelse ist der erste Film,
den Bergman nach einer eigenen Idee und Vorlage inszenierte. Es ist
auch der letzte Film, den er für den unabhängigen Produzenten
Lorens Marmstedt inszenierte. Fängelse war ein finanzieller
Mißerfolg. Wenn man sich den Film heute ansieht, verwundert das in
der Tat nicht. Zu schwierig, zu düster und äußerst brutal ist das
was uns hier präsentiert wird.
Anschließend zu den
vorherigen Regiearbeiten Bergmans steckt in diesem Film auch wieder
ein Sozialdrama, doch die Ausgangssituation ist diesmal eine andere.
Fängelse ist ein kleines Meta-Spiel mit den Ebenen. Ein Film im
Film, was erst einmal verwirrend ist, da die Ebenen in einander
übergehen. Der Film beginnt mit einem Prolog im Filmstudio, der uns
aber erst nach seiner Laufzeit als Prolog bekanntgegeben wird, als
der Regisseur des Films, die Credits einliest. Die Stimme, die wir hören ist höchstwahrscheinlich die Ingmar Bergmans. Wir sehen keine Credits sondern nur eine Kamerafahrt und hören die Stimme des Erzählers, der die Credits vorliest. Dann beginnt der Film,
in dem wir das, was im Prolog verhandelt wurde, als stilisierte
Filmgeschichte erleben und endet mit einem Epilog, wieder im
Filmstudio, in dem uns gesagt wird, dass dieser Film, den wir gerade
gesehen haben, nicht realisierbar ist.
Im Prolog des Films erklärt
Martins alter Professor, die Idee zu einem Film, in dem das Leben
eine einzige Qual ist. Die Hölle auf Erden. Gott ist abwesend. Der
Teufel regiert. In Auszügen erklärt er :
„I would like you to make a
film about hell. It should open with a proclamation by the devil
himself : As i seize control over the nations and people here on
earth, i wish to make the following decree : Everything will remain
the same to keep you all from taking the easy way out. The atom bomb
will be outlawed. The man who dropped the bomb on hiroshima will be
put on trial and sentenced to death as the enemy of all mankind.
The sentimental and fearful
can seek solace in religion. While the weary or indifferent can
commit suicide.
God is dead, vanquished or
whatever. You must admit that it´s easier to see things in that
light. I guess i´m being a bit ironic. Life cuts a path like a cruel
and sensual arc from cradle to the grave. A great laughing
masterpiece. Simultaneously beautiful and hideous, without mercy or
meaning. And then there´s the devil himself. He´s mostly a symbol
or a figurehead. The devil reigns over this hell that is earth. Isn´t
that a good idea for a film ?"
Der Dialog findet während
einer Drehpause beim Mittagessen zwischen Martin, Paul und
Schauspielern statt. Es ist einmal die Art von Szene, die Bergman
später so ähnlich auch in Smultronstället inszeniert, als die
Anhalter über philosophische und theologische Themen debattieren,
aber auch eine Welt, die hier beschrieben wird, wie er sie in vielen
folgenden Filmen zeigen wird. Die Abwesenheit Gottes. Hier als Idee
zu einem Film.
Der eigentliche Film wird dann
in der nächsten Szene, während des Prologs, geboren, als Thomas
Martin von seinen Recherchen über Birgitta Carolina berichtet.
Thomas ist dabei genau die suchende und vom Leben verzweifelte Figur,
wie Bergman sie ab Ende der 50er Jahre in so vielen Filmen zeigen
wird. Die Szene als er versucht seine Frau Sofi, im Suff, zu
erwürgen, spricht dafür Bände. Am hellichten Tag sieht er aus dem
Fenster heraus spielenden Kindern zu und ist angewidert von jeder
Form des Lebens. Er versucht Sofi davon zu überzeugen, dass der Tod
der einfache Ausweg aus dieser Hölle ist.
Birgitta Carolinas Geschichte
steht für das Leiden und für die Hölle, die Thomas durchschreitet,
sowie für die eingehende These des Mathematikprofessors Paul.
Eine brutale
Leidensgeschichte, par excellence, wird hier erzählt. Eine
minderjährige Prostituierte zerbricht an der Welt, die sich gegen
sie stellt. Ihr Kind wird ihr genommen und umgebracht. Die Flucht aus
ihrer Situation, treibt sie nur wieder in die Abhängigkeit von
Peter, ihrem Zuhälter. Der einzige Ausweg für sie ist der Tod.
Bergman zeigt diese
Leidensgeschichte so naturalistisch und drastisch, wie es ihm zu der
Zeit möglich gewesen ist, verfremdet sie aber auch stilistisch, so
dass sie immer auch bewußt als Film wahrgenommen wird. Besonders in
den Traumszenen ist das Licht und Schattenspiel äußerst expressiv.
Aber auch in der Ausleuchtung Birgittas ist ganz klar die
Filmillusion im Vordergrund.
Im Kontrast zum „wirklichen“
Leben, was innerhalb von Fängelse ja auch nur eine Filmebene ist,
zeigt Bergman den Regisseur Martin, der definitiv als Alter Ego
herhalten kann, bei der Arbeit im Studio :
Was insofern interessant ist,
da nach dieser Szene der Streit zwischen Thomas und Sofi gezeigt
wird. Bergmans Meta-Spiel mit den Ebenenen nimmt hier das Ende von Thomas und Sofis Beziehung vorweg. Als Film. Thomas, der mit Sofi bei den Dreharbeiten anwesend ist, fragt
Martin danach „Who wrote that trash“ ? Worauf Martin antwortet
:“I did“.
In einer anderen Szene,
nachdem Birgitta Thomas weggeschickt hat, sieht er draußen in der
Kälte ein Filmplakat :
Das Filmplakat ist zugeklebt mit einem anderen Plakat. Fast so als ob die eine Realität die andere fragen würde bzw. Bezug auf die andere nimmt.
Als Birgitta und Thomas sich
in der Pension, wo Thomas in seiner Jugend gewohnt hat, ein Zimmer
nehmen, ist diese Szene besonders durch die Szene mit dem
Kinematographen ein Blick in Bergmans Kindheit. Einmal dadurch, dass
Bergman in seiner Kindheit solche kleinen Slapstick Filme geliebt
hat, dann ist diese Szene aber auch ein Verweis auf die filmische
Reflexion von Fängelse, die dritte Filmebene. Ein kleiner Slapstick
in dem der Teufel und der Tod auf lustige Art einen Mann in die Wand
springen lassen.
Der Film taucht viele Jahre
später nochmal in Bergmans Schaffen auf. Als Teil des Prologs und
der Inserts bei „Persona“, dem wohl ultimativen Film, der über
sich selbst nachdenkt. Was Fängelse angeht, so ist dieser Film im Film eines Filmes vielleicht auch das Quadrat aus dem ein Ausbruch möglich ist. Nur in der Illusion des Kinos können wir aus diesem Gefängnis fliehen.
Birgitta erzählt Thomas von
einem Traum, den sie hatte, in dem sie einen Stein geschenkt bekommt,
der wie sie sagt, das schönste Geschenk ihres Lebens ist, etwas das
man wertschätzt. Später träumt sie diesen Traum weiter und er
verwandelt sich in einen Alptraum, da die Mitschuld am Tod ihres
Kindes tief in ihr lastet. Bergman findet für diesen Traum
expressionistische Bilder und filmt später den Selbstmord Birgittas
auf ähnliche Weise :
Im Epilog stellt Paul dem
Regisseur Martin die Frage ob der Film realisiert werden könnte und
Martin antwortet, dass so ein Film nicht machbar wäre, da er mit
einer Fangfrage an das Leben im Allgemeinen enden würde und das niemand
da wäre, dem er diese Frage stellen könnte. Worauf ihn Paul fragt
ob er an Gott glauben würde, was Martin verneint, denn das wäre ein
zu einfacher Ausweg.
Fängelse sticht aus dem
Frühwerk Bergmans schon deshalb heraus weil Bergman hier ganz
kompromisslos seine Vision verfilmt. Vielleicht gehe ich damit zu
weit ihn als Schlüsselfilm zu bezeichnen aber als „Missing Link“
ist er definitiv essentiell ! Obwohl das Spiel mit den
Realitätsebenen nicht ganz aufgeht und viele Szenen symbolisch
überhöht wirken und die Charaktere die Komplexität der späteren
Werke oftmals nur streifen ist der Film wegen seiner drastischen
Offenheit packend und besonders als Bindeglied zu den späteren
Filmen unerlässlich.Besonders als Meta-Film ist er vor allem eins : Hochinteressant und wie einige Werke aus seinem Schaffen der 40er Jahre definitiv unterbewertet.
In Törst seinem nächsten Film
wird er seine expressiven Bilder, psychischer Welten fortführen. Mit Törst begann vor 4 Jahren auch unsere Bergman Reise. Fängelse gefällt mir
jedenfalls um einiges besser.
8/10
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