Montag, 13. April 2015

Bergman Reihe : The Serpent´s Egg (Das Schlangenei)


Eingefügtes Bild


Berlin während der großen Depression, 1923. Der jüdisch-amerikanische Zirkusartist Abel (David Carradine) lebt mit seinem Bruder Max ohne Engagement in dieser Stadt und versucht über die Runden zu kommen. Schon bald findet er Max erschossen in seiner Pension vor. Der zuständige Kommissar (Gert Fröbe) zeigt Abel eine Reihe von Toten, die alle genau wie sein Bruder Selbstmord begingen nachdem sie an Wahnvorstellungen litten. Alle Todesfälle kreisen um seinen Bruder. Abel fällt unter die Beobachtung des Komissars und wird verdächtigt. Derweil entspinnt sich zwischen Max´Witwe Manuela (Liv Ullmann) und Abel eine tiefere Beziehung. Geplagt von Depressionen und Alkoholsucht streunt Abel orientierungslos durch das nächtliche Berlin, welches apokalyptisch anmutet.
Nazischergen überfallen den Nachtclub in dem Manuela auftritt und Abel beobachtet wie ein Pferd auf offener Straße ausgeweidet wird um es zu essen. Zudem scheint die gewaltsame Stimmung in den Straßen auch auf ihn abzufärben.
In dem Nachtclub lernt Abel den früheren Jugendfreund Hans Vergerus (Heinz Bennent) kennen. Als Abel von der Haushälterin Manuelas nicht mehr geduldet wird, bietet ihnen Hans ein Zimmer und Arbeit auf dem Gelände seiner Klinik an. Abel spürt schon bald, das dort nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht. Schon bald kommt er dem grauenhaften Geheimnis auf die Spur als er eine Geheimkammer, an ihr Zimmer grenzend, entdeckt. Vergerus entpuppt sich als grausamer Sadist, der mit seinen Patienten Psychospiele treibt und Arbeitslose von der Straße holt um mit ihnen grausame Experimente durchzuführen und diese auf Film dokumentiert. Er ist auch derjenige, der hinter den Morden steckt. Vergerus prophezeit eine neue politische Macht, die sich dem Frust des Volkes annehmen, ihn ballen und lenken wird.
„Jeder kann sehen, was die Zukunft bringt. Es ist wie ein Schlangenei. Durch die dünnen Häute kann man das fast völlig entwickelte Reptil deutlich erkennen.“ Als die Polizei die Klinik stürmt schluckt er eine Zyankalikapsel und zieht sich aus der Verantwortung. Manuela wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen und Abel taucht unter.

Anfang 1976 wurde Ingmar Bergman der Steuerhinterziehung bezichtigt und angeklagt, was einen Riesen Presse Wirbel in Schweden verursachte. Die Klage wurde zwar schnell fallen gelassen doch die Wogen glätteten sich nicht und Bergman, zutiefst verärgert, gekränkt und deprimiert verlagerte seinen Wohnsitz nach Deutschland und zwar nach München wo er bis 1985 arbeitete und am Residenztheater inszenierte.1976 wollte er mit den Dreharbeiten eigentlich schon in Stockholm beginnen, doch dann kam ihm der Steuerskandal dazwischen. Bevor er in München ankam traf er in Hollywood Dino De Laurentiis, der begeister war von dieser Horror-artigen Cabaret Version. In Deutschland angekommen kam dann noch Horst Wendlandt als zweiter Produzent dazu und nichts stand dieser internationalen Großproduktion mehr im Wege. Liv Ullmann stand als weibliche Hauptrolle schon fest doch für den Part des Abel fehlte noch ein US-Star. Nachdem Dustin Hoffman, Robert Redford und Peter Falk absagten wurde Richard Harris engagiert, der aber kurz vor Drehbeginn absprang und für ihn David Carradine nachrückte. The Serpent´s Egg sollte Bergmans bis dato teuerste Produktion werden.
Der Film floppte und wurde von den meisten Kritikern nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Auch heute gilt der Film nicht unbedingt als Glanzstück seines Meisters. The Serpent´s Egg ist allerdings kein schlechter Film aber einer, der wohl konventionellsten Bergman Filme, da er eigentlich wirkt wie ein Bergman Film ohne Bergman. Liv Ullmann sagte einmal über die Dreharbeiten, dass Bergman hier alles erdenkliche zur Verfügung gestellt wurde, er aber gar nicht wirklich wusste was er damit anstellen solle. Wie ein Kind im Spielzeugparadies wirkte er überfordert mit dieser Situation.

The Serpent´s Egg ist eine alptraumhafte, morbide, kafkaeske in Absinth getränkte Faschismus Parabel. Es ist aber auch ein Film dem eine vollkommen verschenkte Kriminalhandlung innewohnt, die einem nochmal klarmacht, dass Bergman kein Genre-Regisseur war. Eine Kriminalhandlung die sich nicht von ungefähr an Fritz Lang anlehnt. Gert Fröbe in der Rolle des Kommissar Lohman und Heinz Bennet als Dr. Mabuse, der hier wie die Kolportage Version eines Arztes aus früheren Bergman Filmen wirkt. Die Story ist nicht wirklich geradlinig. Manche Stränge reißen abrupt, während andere schnell aufgenommen werden. Die Figurenkonstellation bleibt vage ob zu Vergerus oder zu Manuela und auch auf der thematischen Ebene bleibt vieles im Dunkeln und wirkt recht unentschieden. Dafür das der Film gegen Ende etwas derart abgründiges und prophetisches darstellt, wirkt die Strecke die dazu führt sehr holprig.

Dennoch, wie gesagt kein schlechter Film da The Serpent´s Egg von einer Atmosphäre durchzogen ist, die ihn am laufen hält und zum großen Teil auch äußerst faszinierend und ja auch spannend macht.

Abel zur Hure, die ihn mit aufs Zimmer nehmen will :
"Go to Hell !"
Sie antwortet :
"Was denkst du denn, wo wir sind ?"

Als Manuela einen Priester aufsucht, sagt dieser :
"Wir leben weit entfernt von Gott. So weit fort, dass er uns nicht mehr hören kann, wenn wir ihn um Hilfe bitten. Wir müssen uns gegenseitig die Vergebung gewähren, die der ferne Gott uns versagt."

Das Berlin von Ingmar Bergman ist bei allem historischem Studiosetting, welches höchst artifiziell in seiner Künstlichkeit gehalten ist, kein zeitliches Berlin. Es ist die Hölle auf Erden. Draußen hungern die Menschen, Schlägertrupps ziehen durch die Straßen und drinnen wird auf dem Vulkan getanzt, in den Nachtclubs und Bordellen gibt man sich jedweder Perversion hin. Einige Szenen sind hier von einer überraschenden Sleazigkeit geprägt genauso wie es hier für einen Bergman Film ungewohnt gewalttätige und blutige Szenen gibt, die einen sehr konsequent überraschen.
Abel taumelt druch dieses Szenario wie ein benommener Beobachter, der alles in sich aufsaugt und wieder ausspeit. Eine im Grunde fast tote, leb und wehrlose Person, da er als Alkoholiker fast jede Nacht in seinem Rausch erlebt. Auch die latente Gewalt, die das Szenario durchzieht wird von ihm aufgesogen, kompensiert, bis sie aus ihm herausbricht.
Dieses Berlin wirkt fast so als würde die unbekannte Stadt aus Tystnaden (Das Schweigen) ein Gesicht bekommen.
Eine Gesellschaft am Abgrund, die sich in Auflösung befindet, wird hier dargestellt und wie Nebelschwaden steigt der aufkommende Faschismus, der sich in die Gedanken der Betäubten schleicht, empor.

Vergerus zu Abel :

"Abel, sieh Dir das mal an. Sieh all die Menschen. Sie sind alle viel zu erniedrigt, viel zu verängstigt, zu unterdrückt um Revolution zu machen. Aber, in zehn Jahren werden die zehnjährigen zwanzig sein, die fünfzehnjährigen Fünfundzwanzig. Zu dem Haß den sie von ihren Eltern eingeimpft bekommen haben werden ihr eigener Idealismus und ihre Ungeduld hinzukommen. Einer wird hervortreten und ihre Empfindungen in Worte fassen. Er wird ihnen eine Zukunft versprechen. Er wird Vorderungen stellen. Er wird von Größe sprechen und von Opfer. Die jungen und unerfahrenen werden die müdegewordenen und unentschlossenen durch ihren Mut und ihr Vertrauen mitreissen und dann wird es eine Rvolution geben und die Welt wird in Blut und Feuer untergehen."

Das Bergman, der sonst in seinen Filmen mit symbolhaften und kodierten Hinweisen arbeitet hier weitestgehend auf eine Subtilität verzichtet und seine Faschismus Parabel ganz klar zu erkennen gibt, läßt the Serpent´s Egg in einem zweischneidigen, etwas unentschiedenen Licht erscheinen. Die Parabel wirkt etwas platt und der Genrefilm will nicht wirklich funktionieren. Die undurchdringliche Atmosphäre, welche auch an Skammen und Tystnaden erinnert, ist es allein, die den Film zusammenhält und ihn vor dem Zusammenbruch rettet. Die Frage ob diese Missstände den Produktionsumständen zuzuschreiben sind liegt nahe, ist aber von mir jedenfalls nicht zu beantworten.

6-7/10

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